Im Winter in den Bergen unterwegs zu sein ist ein unbeschreiblich schönes Erlebnis. Wer nicht Ski fahren kann, schnallt sich Schneeschuhe unter die Wanderstiefel um den Gipfel zu erreichen. Doch was ist, wenn man nach der Tour einfach in den Bergen bleibt und im Schnee übernachtet? Ich liebe es im Freien zu übernachten, doch macht das auch bei Minusgraden Spaß? Die Antworten suchte ich bei einer Winterbiwaktour im österreichischen Rofangebirge.
An einem Wintertag im Januar fahren wir mit der Rofanseilbahn zur Erfurter Hütte. Wir steigen gleich ein in die Winterlandschaft und sparen uns mit unseren großen Rucksäcken den etwa zweistündigen Aufstieg. Wir, das ist eine Gruppe von sieben abenteuerlustigen Schneeschuhwanderern, die diese ungewöhnliche Tour bei der Sektion München Oberland des Deutschen Alpenvereins gebucht haben. Zusammen mit unserem Guide Christian wollen wir die Rofanspitze (2.259 m) besteigen und anschließend ein Biwak errichten.
Unsere Rücksäcke sind schwer. Neben der Standardausrüstung für Schneeschuhtouren, die natürlich eine vollständige Lawinenausrüstung enthält, haben wir Schlafsack, Isomatte, Kochgeschirr und zusätzliche warme Kleidung dabei.
Vor dem Start der Tour bekommen wir eine kurze Einführung in die Lawinenkunde. Wir schalten unsere Lawinenverschüttetensuchgeräte (kurz: LVS-Geräte) an und testen kurz, ob alle wunschgemäß funktionieren. Jeder Schneeschuhwanderer trägt solch ein Gerät am Körper. Geraten wir in eine Lawine können wir dank dem Sendesignal Verschüttete finden und ausgraben. Das setzt natürlich voraus, dass man mit dem Gerät umgehen kann und weiß, was man tut. Ich empfehle daher jedem Schneeschuhgänger ein Lawinentraining, zum Beispiel beim Alpenverein.
Strahlend blauer Himmel lacht über uns, wir stapfen mit unseren Schneeschuhen auf dem Wanderweg 401 von der Erfurter Hütte los. Schnell haben wir den Trubel hinter uns gelassen und konzentrieren uns ganz auf unser Wintererlebnis. Wir sind nicht die ersten, die zur Rofanspitze wandern, ein Großteil des Weges ist daher gespurt. Erst Richtung Gipfel wird eigene Spurarbeit notwendig. Hierzu wechseln wir uns ab, denn für die Vorderen ist das Gehen deutlich anstrengender als für die Hinteren.
Für das letzte Stück zur Rofanspitze queren wir einen steilen Hang. Hier ist Konzentration erforderlich. Am Gipfel haben wir eine gute Aussicht auf die umliegenden Berge. Bis zum Großglockner kann man schauen. Normalerweise ist der Gipfel das Highlight einer Tour. Doch bei dieser Wanderung ist er nur das Zwischenziel.
Wir steigen wieder ab bis wir in einer Senke ein gutes Stück unterhalb des Gipfels ankommen. Wir haben unseren Übernachtungsplatz erreicht. Doch weder eine Hütte noch ein kuscheliges Iglu warten auf uns, beim Biwak müssen wir unser Lager selber bauen.
Christian erklärt uns wie man eine Schneehöhle baut. Dazu zeichnet er mit seinem Skistock einen Grundriss in den Schnee. Die Schlafkabinen der Schneehöhle dürfen gerade so groß sein, dass man mit seinem Gepäck hinein passt, da es sonst zu kalt wird. „Richtig gebaut, friert man nicht.“ erklärt uns Christian. Ich bin noch etwas skeptisch und vertraue da lieber auf meinen extrawarmen Schlafsack, den ich mir für die Tour ausgeliehen habe.
Mit seiner Lawinensonde prüft Christian die Höhe einer Schneewehe. Sie ist groß genug, hier werden wir unsere Nachtquartiere freischaufeln. Wir bauen eine Schneehöhle mit zwei Schlafkammern in der jeweils zwei Personen Platz haben. Dazu graben wir erstmal einen Gang. Dieser ist so hoch, dass man fast aufrecht stehen kann. Die Schlafkabinen werden deutlich oberhalb der Eingangshöhe ausgebuddelt. Der tiefergelegene Eingang sorgt für die Luftzufuhr und dafür, dass es drinnen nicht kälter als null Grad wird. Am Ende werden die Wände noch glatt gestrichen, damit sich nachts durch die Atmung keine Tautropfen bilden.
Während sich ein anderer Teilnehmer eine Single-Schneehöhle baut, errichten Olaf, mit dem ich mich zur Tour angemeldet habe, und ich nur eine Notunterkunft. Wir haben sehr warme Schlafsäcke dabei und wollen im Freien übernachten. Dafür heben wir eine Grube aus und graben ein kleines Schneedach, bei dem wir unseren Kopf und Oberkörper bei Wind und Schneefall schützen können.
Es dauert über drei Stunden, bis das Nachtlager für alle fertig ist. Es ist schon lange dunkel und wir buddeln mit Stirnlampen zu Ende. Unser Guide schläft im Zelt, dass er auf seine Wintertauglichkeit testen möchte. Wir bauen uns noch eine Küchenzeile für unsere Kocher und Bänke zum Sitzen in den Schnee. Jeder hat sich selbst etwas zum Essen mitgebracht. Ich habe sogar einen Liter Glögg eingepackt, die schwedische Variante des Glühweins.
Wir sitzen auf unseren Schneebänken, essen, trinken und erzählen von uns und unseren Touren. Es ist eine tolle Gruppe, der Abend macht Spaß. Wir sitzen mit unseren Fleecepullis und Daunenjacken, dicken Handschuhen und Mützen im Schnee. Die Temperatur beträgt knapp unter null Grad, trotzdem ist es warm genug um noch gemütlich zu sitzen.
Irgendwann zieht es uns doch in unsere Schlafsäcke. Olaf und ich kramen die Thermarest-Matten aus dem Rucksack und schlüpfen in den Schlafsack. Unsere Füße stecken unter dem Schneedach, wir wollen lieber den Kopf im Freien haben und Sterne gucken. Mitten in der Nacht fängt es leicht an zu schneien. Wir ziehen einen Biwaksack über den Schlafsack und drehen uns um, damit Kopf und Oberkörper unter dem Dach liegen können. Spätestens nach dieser Aktion ist mir mollig warm. Doch leider ist an erholsamen Schlaf erstmal nicht zu denken. Ob ihr es glaubt oder nicht, ich bekomme Platzangst. Eigentlich dachten wir, dass wir unser Schneedach groß genug gemacht haben, trotzdem klopfte mein Herz wie wild. Was bitteschön hätte ich erst in den Schneehöhlen gemacht. Ich richte mich immer wieder auf und versuche wieder meinen Kopf unter das Dach zu legen. Es dauert, doch irgendwann kann ich schlafen.
Das Schönste am Biwak in den Bergen ist der Sonnenaufgang. Leider ist es zu bewölkt und nebelig, von Sonne und Ausblick ist erstmal keine Spur. Wir schälen uns aus unseren Höhlen und Schlafsäcken. Im Schnee schlafen ist, dank meiner guten Ausrüstung, gar nicht so kalt wie ich dachte. Allerdings lagen die Temperaturen auch nur zwischen -3° und -9° Celsius.
Wir befreien das Geschirr, das vor unserem Biwak im Freien steht, vom Neuschnee. Mit den Kochern schmelzen wir Schnee und kochen Porridge zum Frühstück. Danach packen wir alles zusammen und verlassen unseren Biwakplatz, der für mich so viel schöner ist als manch 5 Sterne-Unterkunft.
Mittlerweile haben sich die Wolken gelichtet und geben den Ausblick auf die schneebedeckten Gipfel frei. Unser Rückweg führt uns durch unberührten Tiefschnee zurück zur Erfurter Hütte. Dort beenden wir unsere eindrucksvolle Tour auf der Terrasse bei einer heiß dampfenden Speckknödelsuppe.
Update 13.01.2014: Wie es sich in der Schneehöhle Modell Tiroler Wintertraum schläft, könnt ihr im Blog KulturNatur meiner Biwaknachberin Nadine lesen.
Gut zu wissen
Der Kurs Biwakieren für Schneeschuhgeher wird zum Beispiel bei der Sektion München und Oberland des Deutschen Alpenvereins durchgeführt. Voraussetzung sind nachweisliche Kenntnisse in der Lawinenkunde, Kondition für drei- bis vierstündige Aufstiege mit schweren Rucksack sowie entsprechende Ausrüstung. Für Sektionsmitglieder kostet der Kurs 98€, sonst 118€ (Stand Januar 2014). Und für den März 2014 scheinen noch Termine frei zu sein. Ich kann euch die Tour auf jeden Fall sehr empfehlen. Eine Winterbiwak in den Bergen ist ein großartiges und eindrucksvolles Erlebnis.
Ach, das war wirklich eine schöne Tour! Die Alpen hätte ich auch gerne näher, aber zumindest haben wir jetzt jede Menge Schnee bekommen und ich habe heute aus der Garage die Schneeschuhe geholt. Nur ein LVS brauche ich hier nicht.
Grüße aus dem Norden,
Olaf
Wie, Schneeschuhe? Nicht die Skier? Es freut mich sehr, dass der Schnee dich mittlerweile gefunden hat. Hab mir gerade deine Blogposts angeschaut. Hach, das würde mir jetzt auch gefallen.
Da, wo ich hinwollte, ist es zu steil, zu waldig und hat viel zu viele Felsen. Da sind mir Schneeschuhe viel, viel lieber.
Respekt. Bestimmt ein tolles Erlebnis. Ich habe mir das Angebot beim DAV mal angeschaut. Da versuche ich auch mal was. Wandern mit Schneeschuhen gefällt mir nämlich.
Danke dir. Das Erlebnis ist wirklich besonders.
Schön und auch tole Bilder! Ich würde auch gerne ein Winterbiwak machen, aber ich habe Skrupel vor dem Kauf eines so teuren Schlafsacks…Zwickmühle. :-)
Ich habe mir den Schlafsack von einem Freund ausgeliehen. Vielleicht ist sowas auch für dich eine Option. Und wenn man wirklich Freude an Wintertouren hat, lohnt sich die Anschaffung mit Sicherheit.
Ich hatte das große Glück, einen extrem warmen (und eigentlich teuren) Winterschlafsack für kleines Geld auf dem Alpinflohmarkt in München zu bekommen.
Oh, da bekomme ich ja ganz große Augen!!! Was für ein tolles Erlebnis! Danke für’s Teilen! Bis zum Biwaken bin ich noch nicht „vorgedrungen“ – aber Dein Bericht lässt mich drüber nachdenken ^^
Lieben Gruß,
Corinna
Das freut mich sehr, Corinna. Für den Start ist vielleicht ein Sommerbiwak auch eine gute Option. Nachteil hier, man muss genug Wasser dabei haben und kann nicht einfach Schnee schmelzen.
Pingback: Meine Ausrüstungs-Wunschliste für 2014
Wow, ein eindrucksvolles Erlebnis! Und so schön garniert mit tollen Fotos.
Danke für’s teilhaben lassen.
LG
Manuela
Sehr gerne. Freue mich, dass dir der Artikel und die Fotos gefallen.
Wow! Schön beschrieben und macht jedenfalls Laune auch mal unter die Sterne ohne „Dach“ zu schlafen :-)
Freut mich, dass dir der Artikel gefällt. Draußen schlaffen ist auf jeden Fall ein tolles Erlebnis, kann ich nur empfehlen.
Hallo Sonya,
ich habe das Rofangebierge bisher nur im Sommer gesehen und weiß jetzt, dass ich im Winter auch nochmal dorthin muss. Freut mich auf jeden Fall, dass du so ein tolles Winterabenteuer hattest – von deiner Platzangst natürlich abgesehen.
Falls du bzw. deine Leser auf der Suche nach passenden Schneeschuhtouren seid, dann schau gerne mal auf unserem Portal vorbei. Wir haben ganz neu Schneeschuhtouren des Rother Bergverlags in den Chiemgauer Alpen, den Bayrischen Bergen und in Südtirol Ost bei uns (www.enziano.com) online. Jede Tour kann ganz einfach einzeln gekauft werden, ohne dass ihr euch gleich den kompletten Führer zulegen müsst.
Ich hoffe, dieser Kommentar ist hier willkommen :)
LG Steffi
Pingback: Interview mit Sonya Schlenk › Outdoor-Blog.org
Liebe Sonya,
uns zieht es ja irgendwie immer ans Meer und trotzdem im Hintergrund klopft der Wunsch an in den Bergen und im Schnee zu sein.
Gerade gestern haben wir besprochen, dass wir das mal machen.
Aber dann auch so richtig in der Natur abgeschieden und mit viel wandern und/oder Snowboarden.
Crazy oder das man obwohl man eigentlich in der absoluten Freiheit ist, Platzangst bekommt. Ich glaube das könnte mir auch passieren.
Alles Liebe Jenni
Oh wow, wie cool – im wahrsten Sinne, haha! Die Bilder sind superschön & auch wenn ich gar nicht so ein Wintertyp bin, hört sich alles sehr toll an! :)
Liebe Grüße!
Petra von http://www.anothercopycat.com
Ein wirklich einzigarter Bericht ! Wenn du mal Lust hast bei mir reinzuschauen ich habe auch einen Bericht über das Rofangebirge, allerdings im Sommer. Das beste Foto ist der Sonnenuntergang – einfach nur ohne Worte !!!!!
Vielen Dank für deinen Kommentar, Manni. Eine Rofantour hab ich bei dir gefunden, das Sonnenuntergangsbild noch nicht. Allgemein sind die Fotos bei dir sehr schön. Da werde ich mal noch etwas stöbern.
Hallo Sonya,
Wahnsinn, das klingt wirklich spannend. Diese Fotos! Und definitiv viel aufregender als die Übernachtung in einem 5-Sterne-Hotel. Danke für den tollen Artikel. Auf so einen Aktion hätte ich auch mal Lust (leider fehlen mir da die Kenntnisse in Lawinenkunde).
Lieben Gruß
Elisa
Liebe Elisa, Lawinenkunde ist wirklich so ein Ding. Da es ein DAV-Kurs war, hatten wir zumindest einen dabei, der das Gelände wirklich einschätzen kann. Zudem habe ich vorher Kurse wo Lawinenkunde vermittelt wurde beim Alpenverein besucht. Allerdings bin ich selbst auch noch kein Profi. Das Wissen muss man aus meiner Sicht immer auffrischen und vertiefen. Wichtig ist auch, dass die Mitwanderer sich auskennen und die entsprechende Ausrüstung dabei haben.