In den letzten Wochen habe ich viel über Leidenschaft nachgedacht und bin selbst überrascht, wie schwer es mir fällt über dieses Thema zu schreiben. Bis ich merkte, dass es nicht an meinen fehlenden Leidenschaften liegt, sondern an mir.
Leidenschaft oder nicht Leidenschaft? Das ist hier die Frage.
Wenn du mir die Frage stellst, was meine Leidenschaft ist, würde ich dir natürlich antworten, dass es das Reisen, das Wandern und das Bloggen ist. Und dann sind sie da, meine Zweifel. Sind das wirklich meine Leidenschaften oder mache ich mir nur etwas vor? Weil ich gerne jemand wäre, der ich gar nicht bin?
Nehmen wir das Reisen. So richtig angefangen hat meine Reiselust erst mit einundzwanzig. Einem Alter, wo andere Menschen bereits eine Weltreise oder ein Jahr Work & Travel hinter sich haben. Mit dreißig habe ich zum ersten Mal ein Land außerhalb von Europa bereist. Die Liste meiner Fernreisen ist kurz. Wenn ich von einer Reise zurück kehre, ist die nächste Reise nicht direkt gebucht. Ich habe oft darüber nachgedacht, meinen Job zu kündigen um auf Reisen zu gehen, habe es am Ende aber nie gemacht. Wie kann ich also denken, dass Reisen meine Leidenschaft ist?
Oder nehmen wir das Wandern. Es gibt Menschen, die sind jedes Wochenende in den Bergen, immer draußen. Trainieren sich Höhenmeter für Höhenmeter auf immer schwierigere Gipfel hoch. Und wenn das Wetter nicht mitspielt planen sie Touren, beschäftigen sich mit Ausrüstung oder lesen alles was sie zu ihrem Leidenschaftsthema Berg finden. Ist das nicht die Art von Hingabe, die man für wahre Leidenschaften braucht?
Ach ja. Und dann das Bloggen. Noch immer habe ich viele Baustellen auf meinem Blog. Viele Themen und Artikel, die im Entwurfsordner oder nur in meinem Kopf liegen. Noch immer habe ich nicht meine ganz eigene, besondere Bloggerstimme gefunden. Müsste ich nicht sehr viel mehr meiner Leidenschaft in den Blog legen, um endlich mehr zu sein als ein Reiseblog unter vielen? Und wieder der Blick nach rechts und links. Blogger, die noch gar nicht so lange dabei sind, hochprofessionell auftreten, ein geiles Logo haben und tolle Artikel schreiben, die ich jederzeit gerne in meinen Monatsfundstücken aufnehmen.
Und was ist passiert, wenn ich mit all diesen Gedanken durch bin? Ich zweifle an mir und meinen Leidenschaften. Das ist total bescheuert. Denn Zweifel blockieren mich und halten mich davon ab, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das Machen. Das Ausprobieren und Lernen. Das den eigenen Weg finden und schätzen lernen. Das Leidenschaften leben.
Meine Erkenntnisse über die Leidenschaft
Jetzt habe ich also sehr viel über die Leidenschaft im Allgemeinen und meine im Speziellen nachgedacht. Dabei bin ich zu einigen Erkenntnissen gekommen, die ich mit dir teilen möchte:
1. Leidenschaft ist nur ein Wort
Ich glaube, ich mag das Wort Leidenschaft nicht. Mir geht es bei der Leidenschaft ein wenig wie mit dem mehr als ausgelutschten Wort Innovationen. Es wird einfach zu häufig benutzt. Alles muss leidenschaftlich sein, sonst ist es nichts. Wenn du etwas ohne Leidenschaft tust, kannst du dich eigentlich gleich erschießen. Wäre die Frage gewesen, was mich begeistert, meinen Puls vor Aufregung zum Rasen bringt, meine Schmetterlinge im Bauch einen wilden Tango tanzen lässt, mich so glücklich macht, dass mein Herz vor Freude Purzelbäume schlägt, ja dann wäre dieser ganze Artikel ganz anders ausgefallen. Es wundert mich immer wieder, wie sehr ich mich an einem Wort aufhängen kann. Mit dem Fernweh geht es mir genauso. So ist es leider, das bin ich, manchmal komisch.
2. Leidenschaft braucht Fokus
Eines meiner Hauptprobleme ist, dass ich ein vielseitig interessierter Mensch bin. Das ist an sich nichts schlechtes, im Gegenteil, ich mag das an mir. Doch der Entwicklung einer tiefgreifenden Leidenschaft steht das manchmal im Weg. Wen ich meine Zeit auf zu viele Projekte, Ideen und Aktivitäten verteile, mache ich von allem ein bisschen und habe das Gefühl nicht schnell genug voran zu kommen. Mir gefällt daher die Idee des Passion Projects, dass ich durch Maren kennengelernt habe. Es geht dabei auch um die Entscheidung für ein bestimmtes Projekt. Das hilft, sich zu fokussieren und für eine definierte Zeit auf eine Leidenschaft zu konzentrieren statt sich in vielen Interessen zu verzetteln. Mehr Fokus auf und innerhalb meine Leidenschaften wird mir sicherlich gut tun.
3. Leidenschaft erfordert Können
Am Wochenende war ich im Berchtesgadener Land bei einem Fotoworkshop mit Florian von Phototravellers. Seine Landschaftsfotos begeistern mich immer wieder, seine Leidenschaft für die Fotografie ist mit jedem Bild spürbar. Beim Workshop habe ich gelernt, dass jeder gute Landschaftsfotos machen kann, sogar blutige Anfänger wie ich. Und ich habe mich daran erinnert, dass eine Leidenschaft wie das Fotografieren durch Können angefeuert wird. Florian fotografiert seit vielen Jahren und hat in dieser Zeit sein Können erweitert und immer mehr perfektioniert. Das vergessen wir oft, dass man an manchen Dingen dran bleiben und seine Fähigkeiten aufbauen muss. Und mit wachsendem Können wird auch die dazugehörende Leidenschaft größer. Daher werde ich nicht aufhören für meine Leidenschaften zu lernen und zu wachsen.
4. Leidenschaft braucht Freiraum
Dieser Blogpost zum Thema Leidenschaft fällt mir auch deshalb schwer, weil ich meinen Kopf gerade mit Dingen vollstopfe, die nichts mit meinen Leidenschaften zu tun haben. Es fehlt mir Raum und damit Energie für meine Leidenschaften. Für diesen Freiraum muss ich selbst sorgen. Ich darf nicht warten, bis er von selbst da ist.
5. Leidenschaft kostet (manchmal) Überwindung
Im Beitrag über seine Schwimmleidenschaft erzählt Lutz davon, wie schwer es ihm jedes mal fällt ins Wasser zu steigen und diese erste nass-kalte Sekunde zu erleben. Genau so geht es mir sehr oft. Bei schlechten Wetteraussichten doch eine Bergtour machen, nach einem langen Arbeitstag am Abend nochmal den Laptop aufmachen um einen Blogartikel zu schreiben. Das Anfangen fällt mir oft schwer. Leidenschaft kostet Überwindung und das ist vollkommen ok. Wichtig ist nur, dass du es trotzdem machst. Vielleicht nicht immer, aber immer häufiger als es nicht zu tun. Weil du einfach weißt, wenn du erstmal unterwegs bist, ist es das Schönste auf der ganzen Welt.
Und jetzt noch mal von vorne: Was ist meine Leidenschaft?
Es ist natürlich das Reisen, das Wandern und das darüber bloggen. Ich weiß es so genau, denn unterwegs habe ich mit die glücklichsten Momente meines Lebens erlebt. Jeden Tag möchte ich mehr solcher Erlebnisse haben. Wenn ich nur meinem Herzen folgen würde, ich würde nichts anderes tun als mich diesen Leidenschaften hinzugeben.
Eisern bloggen für die Leidenschaft
Dieser Artikel ist Teil der Blogparade Leidenschaft der Iron Blogger München. Wir sind ein Haufen großartiger Menschen, die auf ihrem Blogs leidenschaftlich über ihre Leidenschaften schreiben. Jede Woche mindestens einmal, sonst zahlen wir fünf Euro in die Trinkkasse, die regelmässig gemeinsam geleert wird. Ich habe die Iron Blogger München gegründet und bin so dankbar für unsere coole und aktive Community. Einer dieser Menschen ist Markus Pflugbeil, der gestern über seine Liebe zum „selbstbestimmten Publizieren im Internet“ gebloggt hat. Und morgen ist Weltenbummlerin Ivana mit ihrer Leidenschaft an der Reihe.
Und natürlich bin ich gespannt auf deine Leidenschaften? Was begeistert dich so sehr, dass du alles um dich herum vergisst?
Hallo Sonya,
sehr interessant, was du zum Thema Leidenschaft schreibst, in vielen Gedanken finde ich mich wieder. Beim Fokus zum Beispiel. Marens Passion Project finde ich auch spannend :) Und bei der Überwindung. Das Schwierigste am Laufen ist immer der erste Schritt – der vor die Haustür….
Ich glaub ich les mich mal weiter durch die Ironblogger-Parade, das ist sehr inspirierend. Viele Grüße aus dem Norden, Eva
Hallo Eva, schön von dir zu lesen. Es freut mich, dass du auch im Norden noch einen Blick auf uns Iron Blogger hast. Es heißt in einem chinesischen Sprichtwort, dass auch die längste Reise immer mit dem ersten Schritt beginnt. Wie du schreibst trifft das auch auf viele Aktivitäten und damit Leidenschaften zu.
Liebe Sonya, wer hätte gedacht, dass das Thema Leidenschaft solche Zweifel hervorbringen würde … mir ist es ja auch so schwer gefallen, mich auf eine ‚Leidenschaft‘ festzulegen. Spannend das unter anderem am Begriff festzumachen, das ist passend. Auf jeden Fall ist ein wunderbarer Artikel herausgekommen und ich finde es toll, welche Aspekte die Blogparade hervorbringt.
Und überhaupt, es gehört ein gutes Stück Leidenschaft dazu unser munteres Grüppchen IronBlogger gegründet zu haben. Da siehste, was du nu davon hast ;-)
Ja, diese Blogparade ist mitten in meine Ich-zweifel-mal-wieder-etwas-rum-Phase gerutscht. Aber das ok, das zeigt, dass ich wieder etwas genauer hinschauen und fokussieren sollte. Mir gefällt ebenfalls die vielen tollen Perspektiven, die es zur Leidenschaft gibt. Es begeistert mich, dass kein Artikel dem anderen gleicht, selbst bei Menschen mit gleichem Blogthema. Hach, und da ist sie wieder die leidenschaftliche Begeisterung. Herrlich!
Hallo Sonya, dein Artikel trifft mich direkt ins Herz. Schon seit man mir das erste Mal die Frage gestellt hat „Und, was willst du später mal werden?“, beschäftigt mich die Suche nach meiner Leidenschaft. Und ähnlich deiner Erkenntnisse musste ich feststellen, dass es für mich wohl nicht diese eine Leidenschaft gibt. Ich hab viele Begabungen und Interessen, aber sobald ich mich nur auf eine konzentriere wird mir langweilig und ich verliere ein wenig das Interesse. Ich hab auch mal einen sehr inspirierenden TEDtalk zum Thema Vielbegabt gesehen. Manchmal braucht man den Blick von außen, um sich nicht mehr so schräg zu fühlen. Viele Grüße, Saskia
Wow, vielen Dank für deinen Kommentar, liebe Saskia. Ich kann dich total verstehen mit den vielen Begabungen und Interessen. Mir wird auch schnell langweilig, wenn ich immer wieder das gleiche oder ähnliches machen soll. Zumindest geht mir das an der Arbeit oft so. Dort brauche ich Abwechslung. TEDtalks sind definitiv eine super Quelle für Inspiration und die Erkenntnis, dass gerade schräge Typen unsere Welt bereichern. Ich wünsche dir viel Freude beim Erforschen deiner Leidenschaft. Eine wundervolle Leidenschaft teilen wir ja schon ;).
Ich habe mich auch sehr lange schwer getan, die EINE Leidenschaft zu finden. Und auch wenn man meinen könnte, dass ich jetzt mit Taijiquan & Qi Gong meine Leidenschaft gefunden habe, so gibt es ja doch noch viel mehr Themen, an denen ich hänge.
Ich habe letztens gelesen: statt nach der einen Leidenschaft im Leben zu suchen kann man sich auch entscheiden, leidenschaftlich zu leben. Das fand ich einen sehr interessanten Ansatz.
Leidenschaftlich leben klingt toll. Zumindest bei den entscheidenden Aspekten in meinem Leben will ich das tun.
Ach, das hast Du TOLL geschrieben. Sonya, ich finde mich total wieder. Ich hatte schon immer Menschen in meiner Umgebung, die alles für ihre Leidenschaft tun. Jahre- und jahrzehntelang. Da fühlt man sich manchmal fasst wie ein Loser. Ich wusste zwar immer, was ich wollte – aber a) waren es verschiedene Dinge und b) finde ich es auch gar nicht schlimm, wenn ich nicht sofort die Beste bin oder das rund um die Uhr mache. Da geht es wirklich mehr ums TUN, als um die größte, leidenschaftlichste Ausstrahlung. Danke, dass Du mich daran erinnert hast, dass es mir deshalb weder an Enthusiasmus noch an Begeisterungsfähigkeit mangelt.
Liebe Svenja, vielen Dank für deine Worte. Habe mich sehr darüber gefreut.
Hi Sonya,
zunächst danke für die Verlinkung. Nachdem ich nun schon so viele großartige Texte aus der Blogparade zu dem Thema gelesen habe, wird mir das erste Mal klar, wie stark das Spannungsverhältnis zwischen Kopf/Ratio/Verstand und (Bauch)Gefühl/Leidenschaft sein kann.
Die Thematik absolut nüchtern und rational zu betrachten und sich selbst dabei zu analysieren statt voller Entusiasmus für das, für was man meint zu brennen, zu schwärmen – das ist Dialektik. Wirklich clever.
Ist das also dann eine eingeschränkte, an Bedingungen geknüpfte Leidenschaft? Gibt es sowas überhaupt?
Oder ist Leidenschaft nur dann eine, wenn ichfür etwas bedinungs-, hemmungs-, kompromiss- und schrankenlos brenne?
Ich sollte mal darüber nachdenken. Aber das ist gefährlich. Denn es könnte das Feuer für eine Passion, das in einem brennt, auch zum Erlöschen bringen…
Vielen Dank für deinen Kommentar, Lutz. Ich glaube wirklich, dass man nicht leichtweg alles eine Leidenschaft nennen sollte, nur weil man es gern macht. Dadurch verliert die Leidenschaft das Besondere. Witzig, dass du den Eindruck hast, dass ich das Thema nüchtern und rational betrachtet habe. Es war nämlich ein recht emotionaler Prozess den Artikel zu schreiben. Euch zu verraten, dass ich manchmal zweifle statt einfach nur zu tun und zu genießen hat durchaus etwas Mut gekostet. Bedingungen stelle ich keine, ich will vielmehr Menschen, denen es vielleicht ähnlich geht, dazu ermuntern dass Grübeln sein zu lassen und statt dessen die Energie dafür zu nutzen die Leidenschaft einfach selbst zu erschaffen und zu gestalten wie es zu einem selbst passt.
Liebe Sonya,
ich verstehe Dich gut, daher stimme ich Angelika in ihrem Kommentar zu:
„statt nach der einen Leidenschaft im Leben zu suchen kann man sich auch entscheiden, leidenschaftlich zu leben“
– und genau so habe ich dann meinen Blogbeitrag zur Blogparade gehalten. Wenn Du etwas machst, dann möglichst mit Leidenschaft. Ich denke, das passt bei Dir schon prima :)
Stimmt, es gibt einen sechsten Punkt: Leidenschaft bedeutet tun. Vielleicht ergänze ich das noch.
Liebe Sonya, eigentlich finde ich, Leidenschaft ist ein schönes Wort, aber mir geht es ähnlich wie dir: Ich bin nicht jedes Wochenende in den Bergen und so oft wie es geht auf Fernreise, trotzdem sind wir in der Hinsicht nicht leidenschaftslos, denn unsere Herzen schlagen höher wenn wir draußen und unterwegs sind und bei 1000 anderen Erlebniesen :) Schöner Artikel, der zum grübeln anregt! Simone
Liebe Simone, genau diese Erkenntnis habe ich erlangt beim Nachdenken und schreiben dieses Artikels. Leidenschaft ist ein Gefühl, dass man erlebt egal wie oft man etwas tut. Und ich merke auch, dass ich mich mit dem Wort Leidenschaft versöhnt habe und es immer schöner finde. Vielleicht waren die Zweifel an meiner Leidenschaft notwendig, um zu merken wie leidenschaftlich ich bin.
Hallo Sonya,
ich glaube Leidenschaft muss auch nicht unbedingt mit Können einhergehen. Ich backe zum Beispeil leidenschaftlich gerne. Sieht aber leider selten schön aus, weshalb ich nur über meine Reisen, aber nie übers Backen blogge :-)
Ich mag deinen Schreibstil sehr und verstehe zu gut, was du mit den Selbstzweifeln meinst, gerade im Bezug auf den Blog hat man die leider viel zu schnell. Was man wohl nie vergessen darf, ist die Zeit, die vielleicht andere haben, das Geld, das sie reinstecken, oder die Vorerfahrung, die sie mitbringen.
Vergleiche zerstören die Leidenschaft. Das ist wohl wie mit der Eifersucht, die Leiden schaft, statt der gewünschten Leidenschaft.
Genieße deinen Blog, genieße deine Reisen und deine Wanderungen, dann erfüllt die Leidenschaft von selbst.
Alles Liebe und danke für den schönen Beitrag!
Tanja
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar, Tanja. Du hast vollkommen recht mit dem Vergleichen, das bringt nichts. Mittlerweile hab ich das lange hinter mir gelassen und manchmal kommen sie doch wieder, die Zweifel. Ich gebe zu, ich wollte auch etwas kritischer über die Leidenschaft schreiben, um zu zeigen, dass man sich oft einfach selbst im Weg steht.
Ach, und Kuchen müssen nicht gut aussehen, sie müssen lecker schmecken finde ich ;).
Es muss ja auch nicht immer alles rosig geschrieben sein. Ich mag es sehr, wenn es kritische Auseinandersetzungen gibt. Sonst steht da auch schnell nur „Schöner Beitrag“ drunter :-)
Kuchen die schmecken sind die Besten!
Alles Liebe
Tanja